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Strafrecht / Verkehrsrecht

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Neue Verkehrsrechtsurteile

Datum:
28.11.2011
Rubrik:
Berichte
Rechtsgebiet:
Strafrecht
Stichworte:
Führerausweisentzug, Verkehrsdelikt, Verkehrsrecht
Autor:
LawMedia Redaktion
Verlag:
LAWMEDIA AG

Ausbremsen kann als Nötigung qualifiziert werden

Wer andere Verkehrsteilnehmer absichtlich ausbremst (Schikanestopp), kann gemäss Bundesgericht je nach Umstand wegen Nötigung verurteilt werden. Eine Verurteilung wegen Verkehrsgefährdung ist laut Entscheid zusätzlich zulässig.

Ein Autolenker hatte 2005 einen anderen zwei Mal mit einer Vollbremsung zum Anhalten gezwungen, da er wegen diesem zuvor leicht hatte abbremsen müssen und ihm eine Lektion erteilen wollte. Beim zweiten Schikanestopp konnte der zweite Lenker nicht mehr rechtzeitig bremsen, worauf die beiden Fahrzeuge kollidierten. Das Strafgericht Basel-Stadt verurteilte den Fahrer daraufhin wegen mehrfacher Nötigung und Verkehrsgefährdung. Gegen die Verurteilung wegen mehrfacher Nötigung legte dieser beim Bundesgericht Beschwerde ein. Das Bundesgericht bestätigte jedoch das Urteil der Vorinstanz:

«Die durch die schikanösen Vollbremsungen ausgelösten Zwangssituationen waren von einer solchen Intensität, dass sie die freie Willensbetätigung von A. einschränkten. Ein solcher Schikanestopp bis zum Stillstand ist geeignet, selbst bei geringer Geschwindigkeit, bei einem durchschnittlichen Fahrzeuglenker Angst vor einem Strassenverkehrsunfall mit allfälligen Verletzungs- und Schadensfolgen hervorzurufen. Um eine Kollision zu vermeiden, war A. gezwungen, sein Fahrzeug abrupt und bis zum Stillstand abzubremsen. Damit zwang ihn der Beschwerdeführer zwei Mal zum Anhalten und beeinträchtigte dadurch seine Handlungsfreiheit […]. Die Nötigungsmittel, d.h. die brüsken, nicht verkehrsbedingten Vollbremsungen des Beschwerdeführers, waren unrechtmässig (Art. 37 Abs. 1 SVG und Art. 12 Abs. 2 VRV), ebenso der damit verfolgte Zweck, A. eine Lektion zu erteilen. Die Nötigungen waren tatbestandsmässig und rechtswidrig.»

Das Bundesgericht hielt abschliessend fest:

«Der Beschwerdeführer hat mit seinen Bremsmanövern zum einen die Handlungsfreiheit von A. verletzt, zum anderen abstrakt weitere Verkehrsteilnehmer gefährdet. Sein Verhalten betrifft sowohl unterschiedliche Rechtsgüter als auch verschiedene Rechtsgutträger. Demgemäss verletzt die Vorinstanz kein Bundesrecht, wenn sie ihn der mehrfachen Nötigung sowie der mehrfachen groben Verletzung der Verkehrsregeln schuldig spricht, mithin echte Idealkonkurrenz annimmt.»

» Urteil BGE 6B_385/2011 vom 23. September 2011

Doppelstrafen für Verkehrsregelverletzungen sind zulässig

2010 war ein Autolenker auf der Autobahn 32 Stundenkilometer zu schnell gefahren. Dafür wurde er zunächst mit einer Busse von 600 CHF bestraft – später wurde ihm vom Strassenverkehrsamt für das Vergehen zusätzlich der Führerschein für einen Monat entzogen. Dagegen legte der Verurteilte Beschwerde ein: Vor dem Bundesgericht machte der Mann geltend, dass gemäss der neueren Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) auch in solchen Fällen niemand für die gleiche Straftat zweimal verurteilt werden dürfe. Das Bundesgericht wies die Beschwerde jedoch ab, da das EGMR in einem früheren Entscheid festgehalten hatte, dass die gleichzeitige Anordnung eines administrativen Führerausweisentzuges sowie eine strafrechtliche Verkehrsbusse rechtmässig seien.

» Urteil 1C_105/2011 vom 26. September 2011

Einziehen des Fahrzeuges kann sinnvoll und verhältnismässig sein

In der Lehre ist die Einziehung des Fahrzeuges von notorischen Verkehrssündern umstritten, da sich Betroffene wegen der Pflicht zur Herausgabe des Erlöses theoretisch sofort ein neues Fahrzeug beschaffen können. Eine Sicherungsentziehung stellt zudem ein Eingriff in die Eigentumsgarantie dar, und hat deshalb verhältnismässig zu sein.

Das Bundesgericht verhandelte den Fall eines Landwirtes, der trotz zahlreicher verkehrsrechtlicher Verurteilungen sowie bestehendem Führerausweisentzug auf unbestimmte Zeit immer wieder betrunken oder zu schnell mit seinen Traktoren gefahren war, wobei er in einem Fall auch einen Selbstunfall verursachte. Die Vorinstanz hatt daraufhin unter anderem die Einziehung der beiden Traktoren des Landwirtes angeordnet:

«Werde von der Einziehung abgesehen, sei wahrscheinlich, dass er in naher Zukunft erneut unter Verwendung des einen oder anderen Traktors den Tatbestand von Art. 91 Abs. 1 SVG bzw. Art. 95 Ziff. 2 SVG erfülle und damit die Sicherheit von Menschen gefährde. Der Beschwerdeführer sei in keiner Weise einsichtig oder reuig. Es sei nicht auszuschliessen, dass er sich wieder einen neuen Traktor beschaffe. Da für ihn die Hürde, ein sofort verfügbares Fahrzeug trotz Entzugs des Führerausweises zu benutzen, aber deutlich tiefer liege, als wenn er zuerst ein neues Fahrzeug kaufen und einlösen müsse, sei die Einziehung dennoch zur Erreichung ihres Zweckes geeignet. Es sei keine mildere Massnahme ersichtlich, um den Beschwerdeführer von einem neuerlichen Verstoss gegen das SVG abzuhalten. Insbesondere sei ihm der Führerausweis bereits auf unbestimmte Zeit entzogen worden. Schliesslich überwiege das öffentliche Interesse der Sicherheit den finanziellen Verlust, welchen er bei der gerichtlichen Verwertung der Traktoren erleide (angefochtenes Urteil E. 8.2. S. 27 ff.).»

Dieses Urteil zog der Landwirt an das Bundesgericht weiter und machte geltend, dass er seit beinahe eineinhalb Jahren nicht mehr mit den Traktoren auf öffentlichen Strassen gefahren sei, zur Wiedergutmachtung auf die AHV-Rente verzichtet habe und sich ein Generalabonement der SBB gekauft habe; aufgrund dieser Bemühungen sei sei davon auszugehen, dass er sich in Zukunft korrekt verhalten werde. «Weiter verletze die Einziehung das Prinzip der Verhältnismässigkeit. Er könnte sich einen Traktor kaufen oder sich umgehend einen solchen von einem befreundeten Bauern aus der Umgebung leihen. Deshalb sei die Einziehung ungeeignet, den Sicherungszweck zu erreichen. Zudem erlitte er bei einer gerichtlichen Verwertung der Traktoren einen hohen Verlust, weil dabei wesentlich tiefere Preise erzielt würden als bei Freihandverkäufen.»

Das Bundesgericht wies die Beschwerde jedoch zurück und beurteilte die Einziehung der Traktoren im vorliegenden Fall als gerechtfertigt:

«Bei den Traktoren des Beschwerdeführers handelt es sich um wertvolle Gegenstände. Auch wenn sie leicht ersetzbar sind, wäre eine Wiederbeschaffung mit erheblichen Kosten verbunden. Die Einziehung ist zumindest geeignet, weitere Widerhandlungen des Beschwerdeführers gegen das SVG zu verzögern oder zu erschweren […] In Gesamtwürdigung der konkreten Umstände ist es bundesrechtlich nicht zu beanstanden, dass die Vorinstanz die Einziehung der Traktoren zur Erreichung des Sicherungszwecks als geeignet erachtet. Der Eingriff in das Eigentumsrecht des Beschwerdeführers erweist sich als verhältnismässig.»

» Urteil BGE 6B_46/2011 vom 27. September 2011

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